Islam – Das Recht auf Eigentum

Wir dürfen uns der Gaben der Natur, die uns kostenlos zur Verfügung gestellt werden und die vom Menschen unmittelbar verwendet werden können, jederzeit frei bedienen und jeder ist berechtigt, entsprechend seinen Bedürfnissen aus ihnen Nutzen zu ziehen.
Wasser, das in Flüssen und Brunnen fließt, das Holz der Waldbäume, Früchte wilder Pflanzen, wild wachsendes Gras und Futter, Luft, Dschungeltiere, Mineralien unter der Erdoberfläche und andere Bodenschätze können von niemandem in Beschlag gelegt werden, noch können ihr ein freien Gebrauch durch Gottes Geschöpfe zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse irgendwelche Beschränkungen auferlegt werden.
Natürlich kann man verlangen, dass Leuten, die irgendwelche dieser Dinge zu kommerziellen Zwecken verwenden wollen, an den Staat dafür Abgaben entrichten. Oder die Regierung kann einschreiten, wenn jemand diese Gaben der Natur missbraucht, damit alles wieder in Ordnung gebracht wird. Aber für den einzelnen besteht kein Hindernis, aus Gottes Erde Nutzen zu ziehen, solange dadurch nicht die Rechte anderer oder des Staates beeinträchtigt werden.
Es ist nicht gerecht, wenn jemand von dem, was Gott zum Nutzen der Menschheit erschaffen hat, Besitz ergreift und es dann in unproduktivem und ungenutztem Zustand belässt. Man sollte entweder selbst daraus Nutzen ziehen oder es anderen zu deren Nutzen zur Verfügung stellen.
Auf der Basis dieses Grundsatzes wird im Islam die Meinung vertreten, dass niemand sein Land länger als drei Jahre in unbewirtschaftetem Zustand belassen darf. Verwendet er es nicht selbst, um etwas darauf anzubauen oder dort Gebäude und dergleichen zu errichten, so wird dieses Land nach einer Zeitspanne von drei Jahren als «aufgegeben» betrachtet.
Wer es dann in Gebrauch nimmt, kann dafür nicht gerichtlich belangt werden und selbst die Regierung ist nicht ermächtigt, das Land jemand anderem, einschließlich dem früheren Eigentümer, zu übergeben.2
Jeder, der sich Grund und Boden unmittelbar aneignet und ihn erschließt, erwirbt ein gesetzliches Recht auf ihn. Wenn zum Beispiel jemand von einem unbebauten Stück Land Besitz ergreift, auf das vorher niemand anderer ein Besitzrecht hatte, und daraus produktiven Nutzen zieht, kann ihm dieses Land nicht durch richterliche Entscheidung wieder abgenommen werden.3
So entstanden alle Besitzrechte auf der Welt. Als der Mensch erstmals auf Erden erschien und die Bevölkerung nur ganz allmählich wuchs, war jedermann alles zugänglich. Wer sich etwas aneignete und es in irgendeiner Form nutzbar machte, wurde zu dessen Eigentümer. Das heißt, er erwarb das Recht, es eigens für seine persönlichen Zwecke zu verwenden und von anderen eine Entschädigung zu fordern, wenn sie es benutzen wollten.
Das ist die natürliche Grundlage aller wirtschaftlichen Aktivitäten der Menschheit, daran ist nicht zu rütteln. Diese Besitzrechte, die man durch zulässige, gesetzliche Mittel erwerben kann, sind unter allen Umständen zu würdigen. Man kann sich erkundigen, ob ein bestimmtes Besitzrecht gesetzliche Gültigkeit hat, denn gesetzlich ungültige Besitzrechte sollten zweifellos gelöscht werden.
Aber kein Staat und keine gesetzgebende Körperschaft ist berechtigt, die Menschen ihres Besitzrechts durch richterliche Entscheidung zu entheben oder gesetzlich anderen zustehendes Eigentum an sich zu reißen oder sich überhaupt einzumischen, es sei denn es besteht ein gerechtfertigter Anlass dazu.
Im Islam wird keinerlei Wirtschaftspolitik gebilligt, die die von der Schari′a übertragenen Rechte außer Kraft setzt, wie verführerisch ihr Name auch immer klingen mag, wie sehr am Allgemeinwohl interessiert zu sein sie auch vorgeben mag. Soziale Gerechtigkeit und das Wohl aller sind dem Islam zwar teuer, doch nicht auf Kosten der von der Schari′a eingeräumter Rechten.
Es ist ungerecht, die von der Schari′a festgelegten Einschränkungen des individuellen Besitzrechts um des kollektiven Wohls der Gemeinschaft willen abzubauen oder aufzuheben. Genauso ungerecht ist es, irgendwelche Beschränkungen und Vorbehalte hinzuzufügen, die nicht in die islamische Gesetzesordnung hineinpassen.
Eine der Pflichten des islamischen Staates besteht darin, die legalen (Schar′i) Rechte der einzelnen zu schützen und sicherzustellen, dass diese ihre Verpflichtungen der Gemeinschaft gegenüber wie vom Gesetz vorgesehen erfüllen. So sorgt der Islam für das Gleichgewicht zwischen Individualismus und Kollektivismus.

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